Zur Erinnerung an treue Vierbeiner, die uns viele Jahre durchs Leben begleitet haben. Wir vermissen sie sehr !    

              

                                                                               

              

 

Sie sind zusammen am Fuße der Regenbogenbrücke und der Tag wird kommen, an dem wir uns alle wieder sehen.

 

The Rainbow Bridge - Die Regenbogenbrücke

Autor: Paul C. Dahm, Englischübersetzung Chrisel Wysocki

Eine Brücke verbindet den Himmel und die Erde. Wegen der vielen Farben nennt man sie die Brücke des Regenbogens. Auf dieser Seite der Brücke liegt ein Land mit Wiesen, Hügeln und saftigem grünen Gras. Wenn ein geliebtes Tier auf der Erde für immer eingeschlafen ist, geht es zu diesem wunderschönen Ort. Dort gibt es immer zu fressen und zu trinken, und es ist warmes schönes Frühlingswetter. Die alten und kranken Tiere sind wieder jung und gesund. Sie spielen den ganzen Tag zusammen. Es gibt nur eine Sache, die sie vermissen: Sie sind nicht mit ihren Menschen zusammen, die sie auf der Erde so geliebt haben. So rennen und spielen sie jeden Tag zusammen, bis eines Tages plötzlich eines von ihnen innehält und aufsieht. Die Nase bebt, die Ohren stellen sich auf, und die Augen werden ganz groß ! 

Plötzlich rennt es aus der Gruppe heraus und fliegt über das grüne Gras. Die Füße tragen es schneller und schneller. Es hat dich gesehen. Und wenn du und dein spezieller Freund sich treffen, nimmst du ihn in deine Arme und hältst ihn fest. Dein Gesicht wird geküsst, wieder und wieder und Du schaust endlich wieder in die Augen deines geliebten Tieres, das so lange aus deinem Leben verschwunden war, aber nie aus deinem Herzen. Dann überschreitet ihr gemeinsam die Brücke des Regenbogens, und ihr werdet nie wieder getrennt sein.

 

Nachricht von der Regenbogenbrücke.(U.G).

"Ich schau nun von oben auf dich herab,

deine Liebe nahm ich mit ins Grab.

Meine Seele jedoch bleibt bei dir auf der Erde,

in der Hoffnung, dass ich nie vergessen werde.

Ich werde weiter wachen über dich,

denn du warst der beste Freund für mich."

 

 

Letzte Bitte

Bin ich dereinst gebrechlich und schwach und quälende Pein hält ständig mich wach. Was Du dann tun musst - tue es allein. Die letzte Schlacht wird verloren sein.

Dass Du sehr traurig, verstehe ich wohl, Deine Hand vor Kummer nicht zögern soll. An diesem Tag mehr als jemals gescheh´n  muss Deine Freundschaft das Schwerste besteh´n. Wir lebten zusammen in Jahren voll  Glück. Furcht vor dem Muss ? Es gibt kein Zurück. Du möchtest doch nicht, dass ich leide dabei. Drum gib, wenn die Zeit kommt, bitte mich frei. Begleite mich dahin, wohin ich gehen muss. Nur - bitte bleib´ bei mir bis zum Schluss. Und halte mich fest und red´ mir gut zu, bis meine Augen kommen zur Ruh´. Mit der Zeit - ich bin sicher - wirst Du es wissen, es war Deine Liebe, die Du mir erwiesen. Vertrauendes Wedeln ein letztes Mal  -Du hast mich befreit von Schmerzen und Qual. Und gräme Dich nicht, wenn Du es einst bist, der Herr dieser schweren Entscheidung ist. Wir waren beide so innig vereint. Es darf nicht sein, dass Dein Herz um mich weint.

 

Annette von Droste-Hülshoff an Therese von Wolff-Metternich

Mein kleines schwarz und weißes Kätzchen hat mir so sehr leid getan, wie es starb. Es war noch bis zuletzt so klug und unterschied mich von allen andern.

Es ist vorgestern gestorben, aber ich möchte noch wohl gerne weinen, wenn ich es nicht unrecht fände, um ein Tier trauriger zu sein wie vielleicht um manchen Menschen.

Aber so arme Tierchen haben auch nichts nach dem Tod zu erwarten, und im Leben sind sie auch gering geachtet und können sich auch gar nicht verständlich machen, wenn sie krank sind.

Mir ist so ein armes, krankes Tier immer etwas entsetzlich Betrübtes.

 

Hans Carossa

Noch vorgestern hatte man es achtlos weggeworfen; jetzt dachte aber niemand daran, es durch schnelle Tötung zu erlösen; jeder fand nur, dass es ein reizendes Kätzchen sei, und wusste einen Rat, ein Mittelchen, um es zu heilen.

Als wäre es durch sein Leiden in göttliche Nähe gerückt, hatte man fast Ehrfurcht vor ihm, besonders die Kinder.

Und wirklich war etwas Besonderes an der Haltung der kleinen Katze, etwas kaum Beschreibliches, das sie über ihren Zustand erhöht, eine Art Stolz, ein Bewusstsein ihrer angeborenen wilden Anmut, welche der Tod wohl nach und nach abtragen oder zertreten, aber keineswegs beugen konnte.

Wie es vom eigenen Elend wegblickend, sich bemühte, seinem Wesen treu zu bleiben, wie es, schon von der Vernichtung geschüttelt, seine Würde behielt und die feine Neigung des Köpfchens nicht aufgab, dies war es, was alle sicherlich viel stärker ergriff als das Leiden selbst.

Anonymes Zitat aus: Penelope Smith - Gespräche mit Tieren

Steh nicht an meinem Grab und weine. Ich bin nicht dort. Ich schlafe nicht.

Ich bin wie tausend Winde, die wehen. Ich bin das diamantene Glitzern des Schnees. Ich bin das Sonnenlicht aus reifendem Korn. Ich bin der sanfte Herbstregen. Wenn Du aufwachst in des Morgens Stille, bin ich der flinke Flügelschlag friedlicher Vögel im kreisenden Flug. Ich bin der milde Stern, der in der Nacht leuchtet.

Stehe nicht an meinem Grab und weine. Ich bin nicht dort. Ich bin nicht tot.

 

Stella Whitelaw

(Eine rührende Kurzgeschichte über den Verlust eines Katers, wie man sie kein zweites Mal mehr findet. Weitere lesenswerte Katzengeschichten findet Ihr in ihrem herausgegebenen Buch "Auf sanften Pfoten" -  Knaur-Verlag)

S A M    S A M

Dies ist eine merkwürdige Geschichte, die Sie vielleicht nicht glauben können oder wollen. Es kann sogar sein, dass Sie den tieferen Sinn und die wahre Bedeutung nicht verstehen. Dann betrachten Sie diese Geschichte einfach als eine Grabinschrift für Sam und alle die anderen Sams, die hier gelebt haben.

Es ist unmöglich, den Kummer über den Verlust einer geliebten Katze zu beschreiben. Sogar jetzt noch kommen mir die Tränen, wenn ich an meine vielen Freunde unter den Katzen denke, die im Laufe der Jahre gestorben sind.

Sie verlassen mich nie ganz, etwas von ihnen bleibt zurück, frohe Erinnerungen an ihre bezaubernde Art. Meine Katzen waren liebende und geliebte Wesen, vielleicht ist es die Aura ihrer Liebe, die fortbesteht.

Ein schuldbewusster Gedanke schleicht sich immer ungebeten in diesen Kummer. Es ist die Ahnung, dass eines Tages, aber nicht zu bald, ein neues Kätzchen - oder mehrere den leeren Platz in meiner Katzenfamilie einnehmen wird und der ganze Prozess von Liebe und Verlust von vorn anfängt.

Manchmal, an schlechten Tagen, werde ich von einem Vorauskummer verzehrt. Das ist ein sinnloses Gefühl. Ich drücke meinen Löwen-Kater - ein großes, langhaariges rötlichgelbes Fellknäuel - an mich und kann den Gedanken nicht ertragen, dass er eines Tages sterben und sein wunderschöner Pelz verrotten wird. Ich bin vernarrt in seine Schönheit, seine ungeheuerliche Persönlichkeit, sein Macho-Image. Alle seine Taten sind voller Kraft und Anmut; keine seiner Bewegungen ist unelegant.

Auf diese Weise trauere ich auch um meine alte Schildpatt-Colourpoint-Katze mit der verblichenen Schönheit einer dahinwelkenden Aristokratin, die das Ende ihrer Tage nahen fühlt. Sie ist vierzehn Jahre alt, albern und senil, aber auf ihre Art liegenswert exzentrisch.

Mein Somali-Kater war auch ein extravagant schönes Wesen, das kaum von dieser Welt zu sein schien und doch eine derart starke Persönlichkeit besaß, dass in seinem Gesicht manchmal ein Ausdruck lag, als beabsichtige er zu sprechen. Worte aus seinem Mund zu hören hätte mich keineswegs erstaunt. Gelegentlich hörte ich das Echo von Worten in meinem Kopf, als hätte er zu mir gesprochen. Das prächtigste an meinem Somali-Kater war sein weicher, seidiger Pelz, so glatt und fein, mit einer Halskrause, die den perfekten Rahmen für sein süßes und sanftes Gesicht bildete. Sein Fell war aprikosenfarben und jedes Einzelhaar schwarz gebändert, was ihm ein hübsches glänzendes Aussehen verlieh, als würde er im Licht funkeln. Und ich liebte die hellen, brillenartigen Fellränder um seine Augen, die ihm einen unschuldigen, großäugigen Ausdruck verliehen, obwohl er in Wirklichkeit so gerissen wie ein Streuner war.

Er hieß SAM - für den Hausgebrauch-, denn natürlich war sein registrierter Name eine exotische Kreation aus Unsinn und Elitedenken.

"Sam, Sam..." sang ich ihm oft vor, "weiß du, wo ich bin ? Ich bin hier ... warte auf dich."

Und er kam wie der Wind aus dem Nichts herangefegt und strich um meine Füße.

Sam zeigte ein immenses und lebhaftes Interesse an allem. Wenn ich die Zeitung las, musste er sie auch lesen. Wenn ich die Einkäufe nach Hause brachte, musste er jede Ware inspizieren. Wenn ich an meiner Schreibmaschine arbeitete, saß er auf dem Manuskript und beobachtete meine tippenden Finger mit einer Konzentration, die unweigerlich zu einer Menge Tippfehler führte.

Das Auflegen des Make-ups im Badezimmer besaß auch höchsten Unterhaltungswert. Sam saß im Waschbecken, verfolgte aufmerksam jede Bewegung und beobachtete tolerant meine Bemühungen, die Jahre zu übermalen. Dann stellte er sich auf die Hinterbeine, legte seine Vorderpfoten auf meine Schultern und gab meinem Kinn einen tröstenden Stups. "Gut gemacht, altes Mädchen", hätte er sagen können.

Die Jahre mit Sam waren reich. Er hatte sie reich gemacht. Auf tausendfache Weise hat er für Kost und Logis bezahlt. Ich glaube nicht, dass Katzen es hassen, wenn man über sie lacht. Sam schien immer mitzulachen, er tat vielleicht, als wäre er beleidigt, aber eigentlich grinste er mit einem selbstgefälligen Ausdruck wenn ihm ein Spaß gelungen war.

Die Meinung, dass es Katzen an Intelligenz und Geisteskraft mangelt, kann nicht der Wahrheit entsprechen. Ich hätte gern Sams Intelligenzquotienten testen lassen. Er besaß Verstand und war von einer gerissenen Schläue. Er hatte auch eine eigene innere Uhr. Wie durch Zauber erschien er auf die Minute pünktlich zu den Mahlzeiten. Er konnte das Öffnen der Kühlschranktür am Ende des Gartens hören. Er kannte die unterschiedlichen Geräusche der Schranktüren und wusste, wo die Kräckerchen aufbewahrt wurden. Er beobachtete mich, wenn ich mich zum Ausgehen fertig machte, und ihn dann aus dem Haus zu setzen wurde jedes Mal zum Versteckspiel.

Er wusste, wann ich Trost brauche und ein Kater auf dem Schoß sein Gewicht in Gold aufwog. Er sah, wenn ich krank war, und verlangte nichts, überhaupt nichts, sprang aufs Bett und schmiegte sich in meine Kniekehlen. Nur sein leiser Atem zeigte mir, dass ich nicht allein war. Ich glaube, er wäre eher verhungert, als mich zu verlassen.

Manchmal langweilte er sich und spielte - "zwischen-die Füße-geraten". Trickreich wie ein Fußballspieler beim Sturm aufs Tor umtrippelte er meine Beine, bis ich ihn lieber auf den Arm nahm, ihn schmuste und knuddelte - was er beabsichtigt hatte - , als über ihn zu stolpern und mir den Knöchel zu brechen.

Geselligkeit war Sams hervorragende Eigenschaft. Er führte Besucher förmlich durchs Haus, zeigte ihnen den bequemsten Sessel, inspizierte ihre Schuhe, Rock- und Hosensäume. Handtaschen zählten zu seinem Lieblingsspielzeug. Meine Freundinnen hatten gelernt, ihre Taschen geschlossen zu lassen, sonst hätte er im Handumdrehen den gesamten Inhalt auf dem Fußboden verstreut und jeden Gegenstand auf seinen Spielwert hin untersucht.  Meine Freunde hatten auch gelernt, ihn nicht zu ignorieren, sondern ihn freundlich zu begrüßen und sich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen. Schlechte Manieren bestrafte er mit lästiger Penetranz und wusste genau, wie er einen gleichgültigen Besucher ärgern konnte.

Und wie konnte er meine Schritte unter Hunderten von Füßen unterscheiden, die jeden Abend vom Bahnhof nach Hause gingen ? Schon beim Geräusch meiner Schritte kam er ans Tor, Ich habe oft seine helle Gestalt zum Tor flitzen sehen, damit er der erste war, während sich die anderen Katzen noch behäbig von ihren Schlummerplätzen in den verschiedenen Gartenecken erhoben. Woran erkannte er mich ?

Ich möchte nicht über seinen Herzinfarkt sprechen.

Die Atmosphäre im Haus stimmte nicht mehr, es war leer. Die anderen Katzen schlichen bedrückt und auf leisen Pfoten umher, aßen nur aus Gewohnheit und trösteten mich mit ihrer sanften Zuneigung. Sie wussten, dass er tot war, denn ich hätte ihn nach den vielen Jahren des Zusammenlebens nicht weggeben.

Also zeigte ich ihnen Sam in seinem ewigen Schlaf. Merkwürdig, wie Katzen den Tod abtun. Ein kurzes Schnuppern, und sie wandten sich ab.

Es dauerte lange, ehe ich merkte, dass Sam noch bei mir war. Wahrscheinlich war ich blind und taub geworden. 

Eines Tages arbeitete ich an meiner Schreibmaschine, als ich merkte, dass ich beobachtet wurde. Meine Finger irrten ungeschickt über die Tasten. Ich sah mich aufmerksam um, dachte, eine der anderen Katzen wolle mich überraschen, aber sie waren alle draußen.

"Sam, Sam..." sang ich leise. "Weißt Du, wo ich bin ?"

Nur mein Atmen war in der Stille des Zimmers zu hören. Dann raschelte irgendwo ganz leise Papier. Aber ich sah nichts.

Ich ging in die Küche, um Kaffee zu kochen, weil ich ein wenig nervös war, und stolperte über etwas. Ich hielt mich am Küchentresen fest und sah zu Boden. Ich war über Luft gestolpert.

Als ich die Kühlschranktür öffnete, um die Milch herauszunehmen, strich eine frostige Brise wie ein Hauch von Pelz um meine Füße.

Der Kaffee kühlte ab, während ich am Tisch saß und über die vergangenen Tage nachdachte. Ich erinnerte mich an flüchtige Wahrnehmungen, die nicht zu definieren waren, aber den starken Eindruck hinterließen, nicht allein zu sein.

Bald darauf hatte ich eine Grippe, und obwohl merkwürdigerweise alle Katzen beschlossen hatten, auf meinem Bett zu liegen, fühlte ich noch ein weiteres Wesen, das sich leicht wie eine Feder in meine Kniekehlen schmiegte.

Die anderen Katzen lagen ineinander verschlungen am Fuß meines Bettes; sie benutzten sich gegenseitig als Kissen. Aber ich fühlte eindeutig dieses Gewicht an meinen Beinen. Mit geschlossenen Augen streckte ich hoffnungsvoll meine Hand aus ... aber da war nichts. Vielleicht gaukelten mir das Fieber und die stechenden Kopfschmerzen Visionen vor.

In dieser Nacht träumte ich, dass ich mit Sam spazieren ging. Sam war groß wie ein Mann und ging aufrecht wie ein Mann, hielt meine Hand in seiner Pfote. Er führte mich auf einen hohen Hügel mit einem Panoramablick auf die ganze Welt. Unter uns lagen Flüsse und Ebenen, Berge und Ozeane, die in alle Richtungen strömten. Er sah mich an, sein sanftes Gesicht war volle Liebe, und in meinem Traum konnte er sprechen.

"Ich weiß, wo du bist", sagte er.

Als ich aufwachte, war ich völlig verwirrt. Ich schriebe meinen Traum ins Tagebuch, um ihn nicht zu vergessen. Er schien mich von meinem Kummer erlöst zu haben, denn nachdem ich wieder gesund war, nahm ich mein gewohntes, geschäftiges Leben auf, das mit dem ganzen Spaß und den Dramen einer Katzenfamilie angefüllt war.

Normalerweise lese ich die Werbesendungen nicht, die in meinen Postkasten gesteckt werden. Dafür habe ich einfach keine Zeit, und die Inserate interessieren mich nicht. Ich legte den Prospekt auf den Stapel Abfallpapier, als ein Foto auf der Titelseite meine Aufmerksamkeit weckte. Das Gesicht einer winzigen Katze blickte mir entgegen. Die Überschrift besagte, dass ein sechswöchiges Kätzchen verletzt aufgefunden  worden sei und in einem Tierheim versorgt würde. Kein Besitzer habe sich gemeldet, und wenn niemand es abhole, müsse es eingeschläfert werden. 

Ich ging sofort zum Telefon. "Nein", sagte ich. "Es ist nicht mein Kätzchen, aber ja, ich will es haben, wenn es niemandem gehört. Nein, es macht mir nichts aus, dass es ein gebrochenes Bein hat. Was denn schon ein Beinbruch ? Menschen, die ein gebrochenes Bein haben, werden doch auch nicht eingeschläfert, oder ?"

Vier Wochen später war Holz-Beinchen so weit wiederhergestellt, dass er zu uns kommen konnte. Er war ein Kater ungewisser Herkunft, hatte graue und schwarze Flecken und ein ziemlich zerquetschtes Gesicht. Mit diesen auffallenden Merkmalen war er nicht besonders attraktiv, aber er besaß eine lebhafte, selbstständige Persönlichkeit und wurde bald heimisch. Sein leichtes Hinken behinderte ihn keineswegs bei den wilden Keilereien in unserer Gemeinschaft. Tatsächlich warf er sich mit dem ganzen Mut und der Vitalität eines ungestümen jungen Katers ins Getümmel.

Als er anfing, gewisse Dinge zu tun, lieb mir das Herz stehen. Er setzte sich mitten auf die Zeitung, wenn ich lesen wollte; er inspizierte meine Einkäufe mit zeitaufwendiger Gründlichkeit; mein Tippen faszinierte ihn, und er spazierte über meinen Schreibtisch, als wäre das sein persönlicher Spielplatz.

Eines Morgens war ich im Bad und begann mit der Instandsetzung meines Gesichts, als eine Katze neben mir hochsprang. Es war Holz-Beinchen. Still saß er da, hatte seinen kurzen, grauen Schwanz ordentlich über seine Pfoten gelegt und beobachtete, wie ich mit meinen Töpfen, Farben und Pinseln hantierte. Als ich fertig war, streckte er sich, legte mir seine Vorderpfoten auf die Schultern und gab mir einen Stups ans Kinn. Seine mandelförmigen Augen glitzerten vor Vergnügen. In diesem Augenblick entdeckte ich die weißen Fellränder um seine Augen, die wie eine Brille wirkten ...

Ich war erschüttert. In meinem Tagebuch las ich das Datum meines Traums nach: 26. Februar 1990. Anhand des Datums der Zeitung rekonstruierte ich Holz-Beinchens wahrscheinliches Geburtsdatum. Es schien zu passen. Holz-Beinchen war in der letzen Februarwoche geboren worden. Es könnte sogar dasselbe Datum gewesen sein.

Diese Erkenntnis beschäftigte mich den ganzen Tag, sie weckte Erstaunen und Verwunderung in mir. Als ich an diesem Abend vom Bahnhof nach Hause kam, begrüßte mich Holz-Beinchen als erster am Gartentor, sein graues Fell war leicht gesträubt.

Nachdem ich alle anderen Katzen begrüße und gestreichelt hatte - meine schöne Löwen-Katze, den furchtlosen schwarzen Perser-Jäger, die zierliche Schildpatt-Katze, unsere alte Colourpoint-Katze, die auf arthritischen Beinen heranstakste -, nahm ich Holz-Beinchen auf den Arm und trug ihn ans Ende des Gartens, wo wir allein sein konnten.

Er liebte es, getragen zu werden, schnurrte und stupste mich und fuhr mir mit den Krallen durchs Haar. Ich setzte ihn ins Gras und entfernte mich ein ganzes Stück von ihm, ohne zurückzublicken. 

Ich zitterte vor ahnungsvoller Erwartung und presste meine Hände ineinander.

"Sam, Sam ..." sang ich, "weißt du, wo ich bin ? Ich bin hier ... warte auf dich."

Bei diesem Stichwort kam er wie der Wind aus dem Nichts herangefegt und strich um meine Füße.